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„Soulkitchenhalle“

Die „Soulkitchenhalle“ an der Industriestraße Nr. 101 in Wilhelmsburg, wurde vom Denkmalschutzamt 2011 wie folgt beschrieben:
„Die Halle ist Überrest eines ehem. Zinnwerkes, das sich zwischen Industriestraße im Westen und Veringkanal und aus mehreren Gebäuden bestand. Erhalten haben sich hiervon die besagte Halle (Soulkitchen-Halle nach dem gleichnamigen Kinofilm, der in weiten Teilen hier gedreht wurde) sowie eine weitere Halle. Die Soulkitchen-Halle wird vorübergehend von Künstlern genutzt. … Die Soulkitchen-Halle entstand 1910; ihre Funktion innerhalb des Zinnwerkes ist nicht bekannt. Offenbar diente sie aber nicht Produktions-, sondern eher Lagerzwecken o. ä. (was im Übrigen hinsichtlich einer möglichen Bodenkontamination optimistisch stimmt). Es handelt sich um eine langgestreckte Halle aus Stahlfachwerk mit Ziegelausfachung (an der Straßenseite verputzt) unter mansarddachähnlich geknicktem Dach.

Ein außermittig durchgreifender Trakt mit beidseitigen Zwerchhäusern (Luken heute zugesetzt) beinhaltet eine Kranbahn, die offenbar eine Verbindung von der angrenzenden Halle bis zur Straßenseite herstellte. An der südlichen Giebelseite sowie an der Straßenseite, vor der ein Schienenstrang verläuft, sind die Wände durch große Tore geöffnet, letzteres über eine Rampe mit Treppe erreichbar. Das konstruktive Gefüge ist zeittypisch und besteht aus Stahlfachwerkwänden und filigranen Stahlbindern.

Der Erhaltungszustand ist vergleichsweise gut: Der Bau hat einige Veränderungen hinnehmen müssen, die dem Baualter und der gewerblichen Nutzung entsprechen, aber nicht gravierend sind (Zusetzungen/ Veränderungen in den Fensterbereichen). Die aktuellen Einbauten (überwiegend Relikte der Nutzung als Drehort) sind reversibel und nicht beeinträchtigend.

Fazit: Bei der Soulkitchen-Halle handelt es sich um einen vergleichsweise gut erhaltenen Industriebau, der allerdings in Gestaltung und Konstruktion konventionell ist und für sich allein keine besondere bauhistorische Bedeutung besitzt. Hinzu kommt, dass der geschichtliche Zusammenhang nicht mehr nachvollziehbar ist, da außer der benachbarten Halle (ihrerseits ohne Denkmalwert, s. o. (Anmerk.: im Jahr 2012 abgerissen)) keine weiteren Bauten des Komplexes erhalten sind und auch die ehemalige Funktion der Halle innerhalb des Zinnwerkes nicht ablesbar ist.“

Bekannt wurde diese unscheinbare Halle durch Fatih Akins Film „Soulkitchen“, den er dort 2009 drehte. Im Juni 2010 konnte die 400qm große Halle vom Verein Kubasta gemietet werden.
Es gab ganz profane Gründe:
1. Nach dem Abriss der Zollstation am Alten Elbtunnel wenige Monate vorher fehlte ein Ort für künstlerische und kulturelle Betätigung – natürlich auch Lager- und Werkstattraum.
2. Die IBA frage an, ob man nicht den Film „Soulkitchen“ dort zeigen wollen würde, weil er zum einen zum Stadtteil aber insb. auch zur Diskussion um Gentrifizierung & Stadtentwicklung passen würde.

Nach mehrmonatigen Verhandlungen mit dem Verwalter der stadteigenen Liegenschaft (genau: Sprinkenhof AG) konnte, nachdem zuerst Mondpreise verlangt wurden (1500 € für 10 Tage für die Halle so wie sie war), ein akzeptabler Mietzins erzielt werden.
59 Stunden nach Schlüsselübergabe tanzten 350 feierwütige Menschen bei der Premiere von „48h Wilhelmsburg“ zum Natural High Orchester. Danach war klar: dieser Ort hat Alles was einen guten Ort ausmacht – außer Wasser.

In den darauffolgenden 36 Monaten wurden praktisch alle „Formate“ erprobt: Film, Konzert, Tanz, Ausstellung, Markt, Hochzeit, Malen, Basteln, Sport, Singen, kultivierte Geselligkeit, Entspannen …. 1000 künstlerisch Mitwirkende, 30.000 Gäste, keine Zuschüsse der Stadt (die IBA gab etwas Geld), 15.000 € Miete an die Stadt, Instandsetzung und Branschutzauflagen auf eigene Kosten…. Zweimalige Schließung, viel Arbeit und Eigenleistung, im April 2013 dann endlich offizielle, bis Ende 2013 währende Betriebsgenehmigung als Versammlungsstätte und offizielle Schließung der Halle am 14 Juni 2013 da ein Gutachten, in Auftrag gegeben von der Sprinkenhof AG, bauliche Mängel attestierte. Zwei Stunden blieben den Stadtteilaktivisten die Halle zu räumen. Im Sommer 2013 wurde auf dem Exilgelände nebenan weitergetanzt und das Leben gefeiert.

Die konzeptionelle Weiterentwicklung des Ortes und die Wiederherstellung der Standsicherheit wird durch die Finanzbehörde seitdem verweigert. Stattdessen wird ein Abriss als Alternativlos propagiert. Und nachdem die Sprinkenhof AG und die Stadt mit der Verlagerung des Opernfundus auf das Areal der ehemaligen Zinnwerke, die direkt gegenüber der Soulkitchenhalle an der östlichen Kanalseite liegen, 2013 gescheitet ist, sollen auf der westlichen Seite nun Fakten geschaffen werden, die eine zukunftsweisende, vielseitige Entwicklung rund um den Kanal auf Jahrzehnte verhindern.

Da hilft es nichts, das der damalige Bezirksamtsleiter Andy Grote sich am Veringkanal einen Kulturkanal vorstellen kann: „von Musikclubs über Kinos, Werkstätten, Ateliers, Studios, Bandprobenräumen und kleinen Bühnen“. Auch eine Petition, binnen drei Wochen von über 7000 Menschen unterschrieben, brachte damals keine Bewegung ins Spiel. Und auch wenn die Entwicklung des Veringkanals zu einem „Kulturkanal“ in der aktuellen Koalitionsvereinbarung von SPD & Grün drin steht: Der Finanzsenator blockiert jegliches Denken und Handeln.

Im Abschlussbericht des Beteiligungsprozesses „Perspektiven! Miteinander planen für die Elbinseln“ ist auf mehren Seiten die Problemlage und das Potential ausführlich beschrieben. Auch hat der Bezirk eine erste Potentialanalyse zum Thema „Kulturkanal“ erstellt. Nicht hat gefruchtet. Im Gegenteil: Die Sprinkenhof lässt bewusst das Gebäude verkommen und hofft zusammen mit der Finanzbehörde, das es irgendwann einstürzt oder abbrennt. Würde die Halle in Berlin oder Köln stehen, so wäre von oberster Stelle die Order ausgegangen, diese lebendige Filmkulisse zu retten und für den Stadtteil, der Hamburger Kulturszene und nicht zuletzt für die Touristen herrichten zu lassen.

Im November 2014 gründete sich der „Stadtkultur Hafen“, u.a. mit dem Ziel die Halle und die danebenliegende Fläche zu entwickeln. Im Dezember 2014 wurden die ersten Ideen und Konzepte bei der öffentlicher Anhörung des Stadtplanungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft zum „Sprung über die Elbe“ vorgestellt.
Ziel ist es seitdem, SOULVILLAGE auf 10.000qm Brache zu entwickeln. Denn: Entlang des Veringkanals, vom Stadtteilkommunikationszentrum Honigfabrik im Norden, dem Atelierhaus der KünstlerCommunity, den Zinnwerken als Hort kreativer Mediengestalter bis hin zum interkulturellen Garten und dem vielseitig nutzbaren Dockville-Gelände am Reiherstieg kann ein „Kulturkanal“ entstehen, wo Hafenwirtschaft, Gewerbe und Kultur- / Kreativwirtschaft friedlich und kooperativ zusammen siedeln. Hohe Freizeitqualität, interessante Arbeitsstätten und ein breit gefächertes Kunst- und Kulturangebot kann den Veringkanal zu einem interessanten, bunten und dem Stadtteil förderlichen Quartier werden lassen.

Die Aktiven werden nicht müde werden, die Stadt endlich zum Handeln zu drängen und sich stetig einmischen, wenn es darum geht, weiter den Stadtteil mit sinnloser Logistik voll zu pflastern und Umweltschäden der letzten 100 Jahre nicht zu reparieren.
So wurde zum Beispiel das Projekt „Wasservitalisierungsanlage“ entwickelt, bei dem eine Pflanzenkläranlage das Knaalwasser filtert und mit Sauerstoff anreichert, damit im Sommer die Fische nicht ersticken. Hierfür hat die Norddeutsche Stiftung für Umwelt und Entwicklung (Bingo-Lotterie-Gelder) bereits 10.000 Euro zugesagt.

EXKURS:
„SOULVILLAGE ist ein stadtentwicklungspolitisches Freiraumlabor, das Nachhaltigkeit, Kreativität, Wissenschaft & Innovation vereint. Es ist ein exzellentes Beispiel für die Vitalisierung industrieller Folgelandschaften im Spannungsfeld zwischen Hafen & Stadt. Es ist DAS aus dem Stadtteil entstandene Initialprojekt für den Kulturkanal.
Der Soul im Viertel : In dem letzten Jahr haben wir uns viele Gedanken gemacht was in Wilhelmsburg gebraucht wird und warum es notwendig ist. Als Antrieb für diese Überlegungen diente die immerwährende Nachfrage ob es denn mit der Soulkitchenhalle weiterginge, da das doch so schön war, einen solchen Ort im Viertel zu haben. Die über 7000 Unterschriften, die binnen drei Wochen im Sommer 2013 bei der Online-Petition gegen den Abriss eingingen, zeugen davon. Aber nicht nur die Soulkitchenhalle, auch das Exil auf der benachbarten Fläche war ein sehr gut besuchter Ort zum Treffen und Gestalten. Daraus entstand das Bild einer vitalen Fläche mit vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten.
Das Viertel als Dorf: Im urbanen Umfeld ist nicht selten die Aussage zu vernehmen, dass das eigene Viertel einem Dorf gleiche. Es bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit Menschen auf offener Straße zu treffen und Informationen, die einem schon bekannt waren, zu erhalten. Auch bestehende Beziehungen und Netzwerke zwischen den Bewohnern eines Viertels sind nicht unter dem Deckmantel der Großstadt-Anonymität verborgen.
Das Dorf mit Soul: Im Spannungsfeld zwischen Mensch und Stadt, Freiraum und Platznot werden räumliche Interaktionsflächen gebraucht um die zukünftige Stadtplanung und -entwicklung die Richtung zu weisen. Ein offenes Areal auf dem die unterschiedlichsten Nutzungen zusammenkommen, sich gegenseitig bereichern und Synergien schaffen, bilden den von uns angestrebten Austausch der Teilnehmenden und zeigen auf welches Verständnis hinter dem Wort Village Bezug genommen werden soll.
Soulvillage ist ein charmantes, vitales und kreatives Dorf in der Stadt. Es bietet vielfältige Möglichkeiten der Kommunikation, der Produktion und Präsentation von kulturellen Gütern jedweder Art und ist ein Ort für Experimente und mannigfaltigen Entdeckungen.
Das Konzept, welches sich aus der gelebten Praxis drei erfolgreicher Jahre der Kulturarbeit in und um die Soulkitchenhalle herum entwickelt hat, basiert auf den intensiven Erfahrungen und dem kontinuierlichen Austausch mit dem Stadtteil und seinen BewohnerInnen. Dennoch gilt es nicht als fertiges, statisches Konzept. Vielmehr ist die Vision Soulvillage im ständigen Prozess mit altbekannten und neugewonnen Komplizen und ihren sich stetig ausdifferenzierenden Bedürfnissen weiter zu denken. Die Möglichkeit der Teilhabe an der Gestaltung dieses Lebensraums ist Grundvoraussetzung für das Gelingen der Vision Soulvillage und Stadt im Allgemeinen.

Grundsätzlich gliedert sich das Soulvillage Konzept in drei Bereiche.

Kultur & Geselligkeit
Das Herz des Dorfes ist und bleibt die alte Soulkitchenhalle, die nach baulicher Ertüchtigung, im Sinne des minimal notwendigsten Eingriffs, wieder für Kulturveranstaltungen und zwangloses Zusammenkommen offen steht. Zusammen mit dem KulturKanalStrand entsteht ein behüteter Ort, der ab April zum Verweilen einlädt. Ein Refugium schafft einen würdigen Altersruhesitz für Kunst aus dem öffentlichen Raum. Eine historische Schute kann als jahreszeitlich unabhängigen Treffpunkt und Arbeitsort dienen.

Kunst, Experimente & Produktion
Ein breites Spektrum von Sub- bis Hochkultur wird durch einen Neubau ermöglicht. Es werden neue Wege in Konstruktion und Baumaterialien gegangen: Aus Containern, Sandsäcken und Betonlegosteinen entsteht ein reizvoller Neubaukomplex: Highlight ist die „New Media & Art Gallery“ – ein Hort für Vjs, Videokunst und Filmerlebnisse der besonderen Art. Gleichzeitig wird der fensterlose Raum als „Digital Concert Hall“ fungieren, wo mensch entspannt und leger zum Beispiel den Aufführungen in der Elbphilharmonie beiwohnen kann. Für Musikschaffenden sollen gute Übungs- und Arbeitsräume entstehen. Zugleich wird die große Nachfrage nach kostengünstigen Lager und Kleinwerkstätten im Stadtteil befriedigt. Die Neubauarchitektur und die eingesetzten Baustoffe, als auch die Wiedernutzbarmachung der Alten Soulkitchenhalle (ggf. durch Textile Architektur) erprobt neue Denkansätze und kombiniert bekannte mit innovativen Materialien.

Grün & Erholung
Gärtnern hat in Wilhelmsburg eine lange Tradition. Doch die Flächen für Kleingärten werden weniger und der Wunsch in Gemeinschaft zu gärtnern steigt stetig. Auf der versiegelten Fläche entsteht ein großes Urban Gardening Projekt, das ergänzt wird durch Urban Farming Beispiele. Vertikale Gärten dienen als Pflanzenkläranlagen und Vitalisieren das Veringkanalwasser und entlang des neu gestalteten Uferbereiches laden Oasen zum Entspannen ein. Dahingegen erkunden die „Hamburger Elektronische Gärten“ Interaktionen zwischen Mensch; Pflanze, Technik & Digitale Welt und bieten ein neuartiges Erprobungs- und Entdeckungsfeld für Erfinder, Künstler und Designer.

Es handelt sich weder um ein rein kulturelles-, soziales-, ökologisches- oder wirtschaftliches Projekt, sondern um die gekonnte Verwebung dieser Bereiche.

Jedes einzelne Vorhaben ist für sich sinnvoll und machbar, doch erst aus der Inkontextsetzung und der Verknüpfung ergeben sich zusätzliche Nutzen und Chancen. Die Gesamtheit ist viel wirkungsvoller, als der einzelne Baustein. Und ganz nebenbei entsteht in organisatorischer und finanzieller Hinsicht ein System, das aus sich heraus in vielerlei Hinsicht robust, wandelbar und lernfähig ist.
Für die Verwirklichung der Vision Soulvillage wurde der 2014 der als gemeinnützig anerkannte Verein Stadtkultur Hafen.e.V gegründet. Die Initiatoren wohnen z.T. Seit über 10 Jahren im Reiherstiegviertel und sind alle samt Aktive aus der Zeit der Soulkitchenhalle und daher sehr vertraut mit der realen Nachfrage nach kulturellem Angebot, Raumbedürfnissen und Eigenarten. Wir, das ist eine Gruppe aus Mitwirkenden mit verschiedenem Fachbezug und Berufsbiographien. Sowohl Stadtplaner, Veranstaltungstechniker, Gastronom, Kultur- und Umweltwissenschaftler, Web- und Mediendesigner, Musiker und auch Betriebswirte,. Weitere Mitglieder sind herzlich willkommen. Darüber hinaus besteht ein großes Netzwerk aus HelferInnen verschiedener Bereiche des Handwerks, Hafengewerbe und Ingenieurwesens sowie KünstlerInnen und Kulturschaffenden.
Der politische Wille, den von Bezirksamtsleiter Andy Grote ausgerufenen „Kulturkanal“ endlich mit Leben zu füllen, wurde von allen Parteien und dem Oberbaudirektor Jörn Walter unterstrichen. Und zuletzt im Entwurf Koalitionsvertrag Rot-Grün : „Die Entwicklung der Bereiche am Veringkanal zum Kulturprojekt „KulturKanal“ wird unterstützt.“
Nun geht es darum, das Fundament zu legen. Ein Bekenntnis für die Vision Soulvillage wäre eine Wertschätzung der jahrelangen Kultur- und Stadtentwicklungspolitischenarbeit vor Ort und der vorhandenen Potenziale des Stadtteils. Zudem würde ein gemeinsamer Aushandlungsprozess von Flächennutzungen in Hafenrandgebieten ein ganzheitliches Neudenken des Inwertsetzens von Grundstücken und Immobilien symbolisieren.
Wir sehen in der Umsetzung von „Soulvillage“ und der Entwicklung des nördlichen Veringkanals große Potentiale für das Reiherstiegviertel, die Elbinsel und Hamburg.“

Mehr Infos & News www.soulvillage.de // www.facebook.com/soulvillage
Newsletter www.soulvillage.de/newsletter.htm
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